Reisen mit Long Covid? Es wurde ein einziger Sommertag am See

Anfang Juli 2024 überkam mich die unfassbare Sehnsucht, der Krankheit und meinem Wohnort zu entfliehen. Alle waren weg. Auch ich hatte, seit 9 Monaten mit Post Covid ausschließlich zu Hause, meine eigenen vier Wände nun wahrlich genügend gesehen. Gleichzeitig ging es mir nicht besser als die Monate davor. Im Gegenteil: Die Hitze und die direkte Sonneneinstrahlung machten mir gleichermaßen ordentlich zu schaffen. Meine Kreislaufregulation funktionierte überhaupt nicht mehr. Von der direkten Sonne wurde mir regelrecht übel und innerhalb kürzester Zeit fiel ich in eine komplett Erschöpfung. Von der Hitze bekam ich Kreislauf- und Atemprobleme, einen hochroten Kopf und merkwürdige Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich, die ich heute als „Coathanger-Pain“ bezeichnen würde. Zusätzlich wurden meine Hände und Füße in der Hitze eiskalt und ich bekam Schüttelfrost. All das, getestet auf einer Liege in meiner eigenen, kleinen Gartenparzelle. Denn weiter kam ich nicht.

Ausflug mit exakter Planung

Dennoch dachte ich mir: Ich kann mich nicht an all den schönen Sommertagen, die andere im Bad oder bei einem Spritzer verbringen, 24 Stunden am Tag einsperren und außer meine Jalousien und weißen Wänden nichts sehen. Das hielt meine Seele einfach nicht mehr aus. Ich litt so sehr darunter, dass ich beschloss, für eine Nacht einen Ausflug zu planen. Erreichbar innerhalb eineinhalb Stunden von Wien, damit es jederzeit zurückgehen konnte.

Ich plante eine Flucht an einen kühleren Ort: Ein hübscher, kühler Bergsee, ein gemütliches Apartment-Hotel, überall kurze Fußwege und ein gemütlicher Rundweg um den See. Das müsste machbar sein, dachte ich mir. Und im schlimmsten Fall, plante ich, im Hotelzimmer rumzuliegen und wenigstens eine Nacht statt an meine weißen Wände in die Berge zu blicken.

Der Ausflug ging so gut, so gut er eben gehen konnte. Er überlastete mich zwar, führte aber zu keiner dauerhaften Verschlechterung, oder einer, die mehrere Wochen anhielt. Ich brauchte danach zirka drei Tage, um mich wieder zu stabilisieren. Das war es aus mentalen Gründen ausnahmsweise wert. Nur zur Regel dürfte so etwas halt nicht werden.

Sonnenbrille, Kappe, kurze Wege, viele Pausen

Natürlich war bei meiner Reise nach Lunz am See vieles ganz anders als es normalerweise gewesen wäre. Ich hatte etwa die ganze Zeit eine Kappe und eine dunkle Sonnenbrille auf, auch beim Schwimmen (ja, ich konnte kurz schwimmen!). Die Kappe verhinderte die direkte Sonneneinstrahlung und somit hatte ich weniger das Gefühl einer Reizüberflutung. Sie machte die Sonne erträglicher. Ohne Sonnenbrille konnte ich sowieso die vergangenen Monate schon nicht mehr leben. Die dunkle Sonnenbrille war spätestens seit April mein ständiger Begleiter.

Obwohl Lunz am See ein sehr kleiner, überschaubarer Ort ist, erledigten wir alle Wege mit dem Mietauto, das mein Freund fuhr. Ergo: Wir parkten direkt am See (mit Parkplatz-Gebühr), und fuhren auch kleinere Wege, die nur etwa 700 Meter ausmachten, mit dem Auto herum. Das war notwendig, damit ich meine Energie aufhob für einen kleinen Waldspaziergang entlang des tiefgrünen Sees.

Die Temperatur belief sich an dem Tag auf angenehme 24 Grad und somit war eine kleine Wanderung möglich. Danach setzte nur eine leichte, eher wohlige Erschöpfung ein. Allerdings war ich innerlich so aufgeheizt, dass ein Besuch des 20 bis 21 Grad kalten Sees für mich körperlich notwendig war. Meine Mastzellen blieben dabei ruhig, wie als hätte mein Körper diese Abkühlung dringend gebraucht. Danach drehten wir noch eine kleine Runde in einem Boot um den See.

Das Abendessen – Fisch mit Kartoffeln, um meine Mastzellen weiterhin nicht zu triggern – ging noch gut. Danach zog mich das Bett magisch an und ich war zu nichts mehr zu gebrauchen. Körper und Geist sagten gleichermaßen „das war’s für heute“. Wir öffneten das Fenster, genossen noch den wunderschönen Blick in die Berge, und mein Freund und ich schliefen beide tieffest für 9 bis 10 Stunden bei offenem Fenster, frei von Gelsen. Es war einfach herrlich.

Natürlich bemerkte ich bereits in der Nacht leichte Symptome. Ergo: Meine Unterarme und Unterschenkel wurden ganz schwach und ich verspürte ein unruhiges Kribbeln im Lendenwirbelsäulenbereich. Doch ich konnte die Symptome durch Gedankenkraft halbwegs zum Ruhen bringen und am nächsten Tag war davon zu Tagesbeginn nichts mehr zu spüren.

Menschen, die sich nicht näher mit dieser Erkrankung beschäftigen, werden jetzt sicher denken: Klingt doch gar nicht so schlecht! Sie hat Urlaub gemacht! Sie ist auf dem Weg der Besserung! Doch ganz so ist es nicht. Für mich war es ein herrliches Erlebnis, einen Tag und eine Nacht wo anders verbringen zu können, ohne dauerhafte Konsequenzen davonzutragen. Aber ich habe mich und meinen Körper mit diesem Ausflug trotz allem leicht überlastet.

Die Überlastung blieb nur deshalb „leicht“, weil ich den ganzen Ausflug im Vorfeld akribisch durchgeplant hatte mit voller Berücksichtigung meiner momentanen, tagesaktuellen Grenzen. Von einer kurzen Anreise bis zum Verzicht auf „überflüssige“ Wege und langsamen Tempo, regelmäßigen Pausen, kein Gepäck zu tragen, da alles mein Freund am Rücken trug reichte die Palette an notwendigen Maßnahmen. Beflügelt durch die Ruhe der Natur klappte das alles für einen Tag. Was für andere Menschen ganz normal ist, etwas, das sie jeden Tag jederzeit ohne Planung und Vorbereitung umsetzen können, war für mich mein Highlight der letzten 9 Monate mit Post Covid.

24 Stunden später gingen die Symptome los

Am nächsten Tag spürte ich außerdem die Hitze, denn die Temperatur war auf 28 Grad gestiegen. Ich merkte bereits früh, dass ich körperlich nicht mehr die Dinge wiederholen konnte, die ich noch am Vortrag problemlos umsetzen konnte. Am frühen Nachmittag ging es daher bereits wieder retour nach Wien.

Die Symptome, die von der Post-Exertional-Malaise (PEM) kamen, waren am Zunehmen. Das war ganz normal, denn diese Zustandsverschlechterung tritt bei Post Covid Typ ME/CFS häufig erst nach 24 bis 48 Stunden auf. Meine Muskeln waren so schwach, das zwei Tage später das Tippen noch immer schwer fiel, weil meine Unterarme keine Kraft hatten und einfach nachgaben. Die Fatigue war „overwhelming“ und ich konnte nur noch liegen, liegen, liegen ohne zu denken. Auspacken verschob ich und ich schlief erstmal 12 Stunden durch nach der Reise, um am nächsten Tag völlig erschöpft und mit andauernder Muskelschwäche zu erwachen.

Trotz moderatem Tempo, Kappe, viel trinken, regelmäßigen Pausen hat sich der Ausflug für mich zwar mental gelohnt, aber er hat körperliche Spuren entlassen. Die nächsten Tage war daher viel Ruhe angesagt.

Würde ich es wieder machen? Nur dann, wenn ich mir sicher bin, dass ich nur in eine „leichte“ Überlastung reingehe, mich davor ausreichend geschont habe und danach genügend Zeit zur Erholung habe und es ein Einzelereignis ist, also es etwas Besonderes bleibt. Alleine das Gefühl von eiskaltem Wasser auf der Haut im Hochsommer: ein Genuss. Dazu der Anblick eines grünfarbenen Bergeses, in dem sich der Wald spiegelt: absoluter Luxus. Ich würde es allerdings niemandem mit Post Exertional Malaise (PEM) zum Nachmachen empfehlen. Jede Überlastung kann in eine dauerhafte Verschlechterung führen. Dieses eine Gefühl, der prickelnden, kalten Wasserperlen auf meiner Haut, hätte auch das letzte sein können, was ich in diesem Leben von der Außenwelt erleben darf.

Tatsächlich war es das dann auch für eine längere Zeit – doch das hatte andere Gründe, die ich euch im nächsten Blogposting erzählen werde: Einen Monat später folgte nämlich ein Reha-Aufenthalt. Und anders als der Sommertag in Lunz am See führte dieser zu einer mehr als ein ganzes Jahr lang anhaltenden gravierenden Verschlechterung.