
Im Oktober 2023 infizierte ich mich zum zweiten Mal mit Covid-19. Ich hatte währenddessen insgesamt mehr als 18 verschiedene Symptome, darunter eine Nebenhöhlenentzündung, tränende Augen, eine Kieferhöhlenentzündung, Nervenschmerzen im Nacken und am Rücken, Schmerzen im ganzen Gesicht, Kurzatmigkeit, das Gefühl, keine Luft zu kriegen, Durchfall, Hautausschlag auf der Brust und rund um die Fingerknöchel, eine Zahnfleischentzündung, Kratzen in den Augen und einen tiefsitzenden Husten.
Es fühlte sich bereits während der Infektion nicht an wie eine „harmlose Erkältung“, sondern wie die Hölle auf Erden. Doch damals dachte ich noch, es würde vorbeigehen – irgendwann. Aber dem war nicht so. Die Erschöpfung war erdrückend, meine Muskeln schmerzten, ich hatte Konzentrationsschwierigkeiten und einen enormen Druck auf der Brust.
Der Zusammenbruch
Ich zwang mich zurück zur Arbeit, versuchte, „normal“ zu funktionieren. Das ging nur knappe zwei Wochen gut. Noch am Tag meines Zusammenbruchs veröffentlichte ich einen Artikel, der international große Wellen schlug – ein beruflicher Erfolg, der mir in diesem speziellen Moment aber nichts bedeutete, weil ich keine Energie dafür übrig hatte. Denn als der Arbeitstag vorbei war, fiel ich um 17.30 Uhr direkt aus dem Home Office einfach ins Bett. Ohne Abendessen, ohne zu duschen. Ich wachte erst am nächsten Morgen wieder auf und fühlte mich einfach nur krank. Mein Körper hatte die Notbremse gezogen.
Meine Hausärztin erkannte das Problem sofort. „Das könnte Long Covid sein“, sagte sie – und ich hoffte, sie würde sich irren. Doch Wochen vergingen, und es wurde nicht besser. Ich fühlte mich selbst nach kleinsten Aktivitäten, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mir. Ich war nicht einfach nur müde oder ein bisschen ausgelaugt. Ich hatte muskuläre Schmerzen, noch anhaltenden Reizhusten, ein Stechen links auf der Brust, ich schlief schlecht und meine Nase hörte ebenso wenig auf zu rinnen wie der Durchfall.
Mein Leben war nicht mehr dasselbe. Eine Stunde Gespräch am Telefon erschöpfte mich vollkommen. Ein Spaziergang von einem Kilometer ließ mein Herz rasen und mich nachts das gesamte Bett voll schwitzen. Ich musste mit ansehen, wie ältere Menschen jenseits der 80 mich mühelos überholten, während ich selbst mit weichen Knien am Straßenrand stand.
Zuerst half nichts, erst beim Spezialisten das „Aha“
Beim Lungenarzt dann der Schock: Mein Lungenvolumen betrug nur 80 Prozent verglichen mit dem eines gesunden gleichaltrigen Menschen – vergleichbar mit Personen mit COPD oder dem einer Kettenraucherin. Nur dass ich nie geraucht habe. Ein postvirales hyperreagibles Bronchialsystem, hieß es. Ich bekam Medikamente, doch diese halfen nicht. Schließlich kam ich zu einem der wenigen Neurologen in diesem Land, der sich mit postviralen Erkrankungen auskannte. Und plötzlichen ergaben alle meine Symptome einen Sinn. Und wurden mit der richtigen Behandlung erst einmal sehr rasch besser. Mein Körper kam wieder ein wenig zur Ruhe.
Ich hatte die Hoffnung, dass ich doch nur eine verlängerte Rekonvaleszenzphase durchmachen musste und ich wieder „die Alte“ werden würde. Doch dem war nicht so. Aus Long Covid wurde das „Post Covid Syndrom“ mit „Post Exertional Malaise“ (PEM), das Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) sowie das Posturales Tachykardie-Syndrom (POTS). Das sind alles postvirale Erkrankungen, die in der Regel chronisch verlaufen, ich habe sie auf dieser Website verlinkt, so dass ihr nachlesen könnt, worum es sich da genau handelt.
Als ich meine Erkrankung erstmals nach etwa drei Monaten auf X öffentlich gemacht hatte, hat mich „Judith Schoßböck“, die selbst an ME/CFS, Post-Vac und MCAS erkrankt war, begrüßt mit den Worten: „Willkommen im Club, in dem keiner sein will“. Judith ist mittlerweile von uns gegangen (RIP, Judy).
Energiemanagement, um den Alltag zu schaffen
In dieser Zeit musste ich auch lernen, mit meinen wenigen Energiereserven, die zu dem Zeitpunkt übrig blieben, umzugehen. Ich lernte „Pacing“ – das bewusste Einteilen meiner Kraft und Energiereserven, um nicht ständig über meine Grenzen zu gehen. Zur Einordnung, wie es mir damals etwa ging: Länger als eine Stunde konzentrieren ging nicht. Meine Wohnung konnte ich zu dem Zeitpunkt ebenso wenig verlassen, wie mein Sofa oder Bett. Ich schlief fast 16-18 Stunden täglich. Das Zubereiten von Essen strengte mich dermaßen an, dass ich mich danach sofort hinlegen musste. Im Badezimmer beim Zähneputzen zu stehen, war mir zu wild.
Pacing bedeutete auch, meine eigenen Erwartungen an mich selbst loszulassen. Ich hatte so in mir drin eindoktriniert, dass ich doch „funktionieren“ müsse, dass es sehr schwer war, zuzulassen, dass ich das im Augenblick nicht musste. Das war alles andere als intuitiv. Ich war schließlich ein sehr leistungsorientierter Mensch, sodass mir dieser Part sehr schwer fiel.
Viele Vorurteile, wenig Wissen
„Antriebslos“, wie Long-Covid-Betroffene oft beschrieben werden, war ich aber keineswegs und diese Zuschreibung ärgert mich bis heute. Ich wollte am liebsten 1000 Dinge tun, doch musste ich mich damit streng zurückhalten. Beim „Pacing“ ging es nämlich nicht darum, was ich an einem Tag leistete, sondern darum, was ich nicht leistete, um einen größeren Crash zu vermeiden. Machte ich an einem Tag zu viel, hatte das zeitverzögert am nächsten Tag schlimme Auswirkungen.
Ich traf dabei auf großes Unverständnis aus meinem Umfeld. Sätze wie „Ich bin auch oft müde“ oder „Du musst dich einfach mal zusammenreißen“ waren nicht nur verletzend, sie waren für mich sogar gefährlich. Denn wer PEM hat, kann sich nicht „zusammenreißen“, ohne einen hohen Preis dafür zu zahlen: Jede Überlastung, die einen sogenannten „Crash“ verursacht, bedeutet nämlich Rückschritt statt Fortschritt. Hier würde ich mir wünschen, dass andere Betroffene diesen sehr zermürbenden Prozess nicht selbst durchmachen müssen, oder ihrem Umfeld etwas mit in die Hand geben können, um dann auf mehr Verständnis zu treffen. Das ist einer der Gründe, warum ich über dieses Thema – 1,5 Jahre nach Beginn meiner Erkrankung – schreibe.
Unheilbare Erkrankung
Ein weiterer Grund liegt auf der Hand: Ich bin nicht genesen. Trotz bester medizinischer Versorgung (danke den besten Post-Covid-Spezialist*innen, die es in diesem Land gibt) bin ich noch immer krank. Mir geht es aber wieder eine Spur besser, was ich den Off-Label-Medikamenten (danke an all meine Ärzt*innen, die mich begleiten!) und dem Pacing verdanke. (Anmerkung für alle, die sich auskennen: Ich bin noch immer moderat betroffen, Funcap 3,6).
Mittlerweile ist man zwar hinter einige Pathomechanismen der Erkrankungen Long Covid und ME/CFS, die mit der PEM-Ausprägung stark überlappen, gekommen, aber es gibt noch keine Medikamente, die die Krankheiten heilen können. Hier kann uns nur eines weiterbringen: Forschung, Forschung und nochmals Forschung.
„Ausgesteuert“ nach 1 Jahr
Bis zu meiner Krankheit wusste ich auch nicht, dass man in Österreich nach rund einem Jahr Krankengeld „ausgesteuert“ wird, also keinen weiteren Anspruch mehr auf Krankengeld mit derselben Krankheit hat. Ich dachte immer, wir würden in Österreich in einem „Sozialstaat“ leben, bis ich erfahren hatte, was mit Menschen mit langfristigen, chronischen Erkrankungen wie Long Covid und/oder ME/CFS „veranstaltet“ wird, die nicht mehr arbeiten können. Die Kurzfassung dazu lautet: Nein, sie bekommen keine rasche, unbürokratische Hilfe, sondern mit ihnen wird ein unwürdiges, kräftezerrendes Bürokratie-Ping-Pong gespielt. Ich persönlich finde es wichtig, dass diese Geschichten erzählt werden. Das hier wird mein Beitrag dazu.